ALS DER OSTEN DURCH DEN WESTEN FUHR
Die Geschichte der Deutschen Reichsbahn in West-Berlin
Autor & Regie:Burghard Ciesla | Daniel Ast | Jürgen Ast
Redaktion:Jens Stubenrauch
Länge:45'
Produzent:Daniel Ast
Koproduktion:astfilm productions | RBB | gefördert mit Mitteln der Bundeststiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Eine der merkwürdigsten deutsch-deutschen Geschichten ist die der ostdeutschen Reichsbahn in West-Berlin. Im Kalten Krieg fuhren auch im Westteil der Stadt die Züge nach sozialistischem Fahrplan. Die volkseigene "Deutsche Reichsbahn" der DDR sicherte im Auftrag der Alliierten den Eisenbahnbetrieb in ganz Berlin. Tausende Beschäftigte, mehr als 300 Kilometer Schienenwege und ein Netz von Gebäuden und Anlagen gehörten zum einzigen sozialistischen Großbetrieb in West-Berlin. Mit Aktivisten, Brigaden, Parteileitung, Plan und Wettbewerb. Mit Marx und Thälmann an der Wand, mit wehenden DDR-Fahnen am 7. Oktober, dem Nationalfeiertag der DDR, auf den Westberliner S-Bahnhöfen.
Die Reichsbahn in West-Berlin wurde zu einem Faustpfand der Westmächte und zu einer kommunistischen Trutzburg, zu einem Zankapfel des Kalten Krieges und zu einem delikaten deutsch-deutschen Geschäft. Auch das einstige Herzstück des gesamten Berliner Verkehrsnetzes, die S-Bahn, lag in Obhut des DDR-Verkehrsministeriums. Bis August 1961 fuhren Hunderttausende Westberliner Fahrgäste täglich mit ihr.
Nach dem Mauerbau kam es zum Boykott - "Kein West-Geld für Ulbrichts Stacheldraht". So verkam die S-Bahn zu einer "Geisterbahn", wurde ein immer größeres Verlustgeschäft für die DDR. Trotzdem gab die DDR diesen besonderen "Außenposten des Sozialismus" nicht so schnell auf. Erst nach jahrelangem Hin und Her erfolgte Mitte der achtziger Jahre die Übergabe der S-Bahn an die BVG.
Die Deutsche Reichsbahn war für die Beschäftigten jahrelang eine Art "Familienbetrieb". Für die meisten Westberliner aber war sie ein Schandfleck. Die Eisenbahner kamen fast alle aus Westberlin, sie galten als "Fünfte Kolonne der SED". Interviews mit den ehemaligen Reichsbahnern, mit Senatsangestellten und Mitarbeitern des DDR-Verkehrministeriums geben einmalige Einblicke in eine abgeschlossene Welt voller "Grenzerfahrungen" zwischen Ost und West.